Der Compoundbogen
Der Compoundbogen wurde 1969 erfunden und in den USA von Holless Wilbur Allen als Patent angemeldet. Im Kern besteht der Compound aus einem Olympischen Recurvebogen, dessen Enden durch Kurvenwellen (Camwheels oder einfach Cams) ersetzt wurden.
Der mechanische Trick dabei ist, dass die Sehne über zwei Kurvenwelle mit unterschiedlichem Durchmesser läuft. Dadurch baut sich beim Aufziehen des Bogens die Energie ungleichmäßig auf.
Wie auch bei anderen Bögen wird der Zug bis zu einem Zuggipfel immer härter. Dann, wenn der Compoundbogen sehr weit aufgezogen ist, greifen die Hebel und es wird plötzlich sehr leicht, das Zuggewicht zu halten. Dadurch kann man relativ problemlos mit sehr starken Bögen schießen.
Theoretisch kann bei einem Compoundbogen der Zug jenseits des Gipfels auf einen Grenzwert gegen Null reduziert werden. Es ist einfach nur eine Frage des Hebels. In der Praxis liegen die meisten Werte jedoch in etwa bei 70 %, da man das Zuggewicht auch nicht grenzenlos nach oben steigert.
Deshalb handelt es sich beim Compoundbogen auch nicht um den ähnlich klingenden Kompositbogen. Das ist ein historischer Bogen, den man heutzutage eher unter dem Begriff Jagdrecurve finden kann.
High-Tech und Präzision
Mit dem Compound hat die Entwicklung der Bogenklassen einen technischen Zenit erreicht. Dabei haben sich die zusätzlichen Maßnahmen zur Optimierung des Schussverhaltens so positiv ausgewirkt, dass eine bis 1969 ungeahnte Präzision erreicht werden kann.
Für Turniere mussten deshalb auch ganz Regeln für Compounds entwickelt werden. Die Scheiben beziehungsweise das Gold hat man für die Schützen in diesem Zuge deutlich reduziert. Die Verwendung von Cams ist jedoch lange nicht der einzige technische Kniff.
Darüber hinaus ist es bei diesen High-Tech-Produkten auch möglich, noch mehr an zusätzlicher Ausstattung zu verwenden. Jedoch nimmt ein Bogenschütze mit einem Compoundbogen auch einen erhöhten Aufwand zur Wartung und Pflege in Kauf. Es ist beispielsweise bei fast keinem Modell möglich, die Bogensehne ohne spezielle Ausstattung und Fachkenntnisse abzuspannen.
Dennoch überwiegen die Vorteile und die Freude am Compoundschießen bei einer steigenden Anzahl an Schützen. Die Nachfrage nach solchen Modellen hat den anderen Bogenklassen längst den Rang abgelaufen.
Beschleunigung
Die non-lineare Energieübertragung durch einen Compoundbogen hat große Vorteil. Pfeile werden beim Schuss zunächst langsam und dann schneller beschleunigt. Das ist nicht nur schonend zum Material.
Vor allem reduzieren sich auch die klassischen Schwingungen im Projektil. Das wirkt sich sehr zu Gunsten der Präzision aus. Darüber hinaus erreichen die Pfeile häufig Geschwindigkeiten von bis zu 360 km/h.
Selbst Olympische Recurvebögen können dagegen nur mit etwa 200 km/h aufwarten. Daraus ergeben sich eine flachere Flugkurve sowie eine schnellere Stabilisierung des Projektils.
Verkürzte Bauweise
Mit der fortschreitenden Entwicklung setzte sich auch die verkürzte Bauweise bei den Compoundbögen durch. Das hat den Hintergrund, dass man so die Materialbelastung durch die höheren Zuggewichte reduzieren kann.
Beim Lösen fließen nämlich etwa 20 % der Zugenergie in den Bogen. Besonders problematisch sind dabei Vibrationen der Sehne. Durch die verkürzte Bauweise werden diese reduziert. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Compoundbogen zwangsläufig auch verkürzte Arme haben muss.
Spezialisierte Arme
Eine weitere Besonderheit in der Entwicklung von Compoundbögen sind die verschiedenen Arten der Wurfarme. Zunächst gibt es natürlich solche Modelle, die nach der Schussabgabe wie bei den üblichen Bögen ebenfalls nach vorne Federn (Forward Limb Movement).
Die Technik-Spezialisten aus dem Compoundbereich haben darüber hinaus zwei weiteren Varianten entwickelt. Diese dienen vor allem der Beruhigung des Bogens sollen auch dem nach vorne Springen unmittelbar nach der Schussabgabe entgegenwirken:
- Beim Vertical Limb Movement kommt es zu einer Ausfederung durch Auf- und Abschwingen der Arme.
- Bei Twin Limbs bestehen die Wurfarme aus Zwillings-Armen. Zwischen diesen jeweils oben und unten angebrachten Zwillingen können die jeweiligen Cams frei rotieren und so die überschüssige Energie abbauen.
Löse-Hilfe
Darüber hinaus sind beim Compoundschießen auch Releases zugelassen. Etwas technischer spricht man dabei von Löse-Hilfen. Diese sind dem Griff einer Pistole nachempfunden.
Der Hintergrund ist, dass wenn man einen Bogen mit der Hand aufzieht, dann entsteht durch den schiefen Griff auch zwangsläufig eine leichte Verzerrung des Tiller-Wertes. Dem kann man durch spezielle Einstellungen zwar etwas abhelfen.
Die Hand beziehungsweise die Finger können dann aber auch auf mechanischer Ebene schlichtweg keinen „perfekten“ Löse-Vorgang gewährleisten. Bei einem Compoundbogen bringen deshalb sehr viele Schützen an der Bogensehne auf Höhe des Nockpunktes eine Schlaufe (Loop) an.
Den Greifer eines Releases hakt man in diese Schlaufe ein. So zieht man dann auch den Bogen auf. Durch eine Betätigung des Abzugshahns öffnet sich schließlich der kleine Greifer in einem mechanisch sauberen Vorgang.
Im Ergebnis erreicht man durch die Verwendung einer solchen Lösehilfe vor allem zwei Dinge: Man hat eine leichte und reproduzierbare Schussabgabe, die zugleich ein sehr hohes Qualitätsniveau bei diesem Vorgang gewährleistet.
Extras für den Compound
Hochwertige Compoundbögen sind kleine technische Meisterwerke, die großen Spielraum für zusätzliche Ausstattung lassen. Allgemein und auch in anderen Bogenklassen bekannt sind:
Darüber hinaus kann man bei einem Compound noch einige Extras verwenden.
Drop Away Rest
Eine Drop Away Rest ist eine spezielle Pfeilauflage für Compoundbögen. Das besondere an einer solchen Auflage ist, dass sie beim Lösen mittels eines Zug-Systems nach unten wegklappt.
Das führt dazu, dass der Pfeil im Moment der Beschleunigung frei in der Luft steht. Hiervon verspricht man sich eine weitere Verbesserung des Schussverhaltens eines solchen High-Tech-Bogens.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Verschleiß durch die Reibung beim Schuss zurück geht. Gerade wenn man beispielsweise Erfahrung mit gerissenen Fletschen hat, kann eine solche Auflage die Lösung sein.
Peep Sight
Es ist zwar unpraktisch, dass man einen Compound in der Regel nicht einfach zu Hause abspannen kann. Aber die Notwendigkeit von fachmännischem Können und Werkzeug bringt einen sehr interessanten Vorteil mit sich.
Die Bogensehne bleibt bei einem Compoundbogen nämlich in ihrer Position. Deshalb hat man die Möglichkeit, eine kleine Lupe in die Stränge einzuflechten, die der Schütze dann zum Zielen nutzen kann.
Ein solches Peep Sight wird dann in Kombination mit einem Visier verwendet. Für den Schützen ergibt sich aus diesem Zusammenspiel dann ein hervorragendes Zielsystem.
Scopes
Während man mit einem Olympischen Recurvebogen über einen einfachen Pin visiert, hat man im Compound-Bereich eine üppige Auswahl aus solchen Pin-Visieren, die mit Vergrößerungslupen und Wasserwaagen ausgestattet sind.
Solche High-Tech-Visiere nennt man Scopes, was frei übersetzt soviel wie Spielraum oder Rahmen bedeutet. Die Form ist zylindrisch und das offizielle Regelwerk lässt bis zu fünf Pins für unterschiedliche Distanzen zu.
Mit der integrierten Wasserwaage hat der Schütze dann immer auch die Ausrichtung im Blick. Außerdem sind die gerade im Compound-Bereich auch die Leucht-Pins sehr beliebt.
Ein solcher Pin ist aus einem farbigen Kunststoff gearbeitet, der Licht einfängt. So steht auch selbst noch in der Dämmerung ein leuchtender Zielpunkt im Scope zur Verfügung.
Compoundbogen bei Turnieren
Schützen mit einem Compoundbogen können sowohl bei Turnieren des Deutschen Schützenbundes (DSB) wie auch bei Wettkämpfen des Deutschen Bogensport-Verbandes (DBSV) antreten. Darüber hinaus bietet auch die World Archery Federation (WA) einen Rahmen.
Bogenklassen des DBSV
Im Deutschen Bogensport-Verband wird der technische Reichtum des Compoundbogens in drei Klassen abgebildet. In der Wettkampfordnung Abschnitt 2.3 wird die gestattete Ausrüstung definiert:
- Compoundbogen unlimited (Cu) – die umfangreichste Bogenklasse mit diesen Vorgaben laut Wettkampfordnung:
- Sehne: Lippen- und Nasenmarkierungen, Peepsight sowie Vorrichtung zum Ausrichten und eine Release-Schlaufe sind gestattet.
- Pfeilauflage: Beliebige, verstellbare, nicht-elektronische Pfeilauflage ist gestattet. Sie darf sich nicht mehr als 6 cm hinter dem Hals des Bogengriffs befinden.
- Auszugskontrolle: Hörbare und sichtbare, nicht-elektronische Kontrollen sind gestattet.
- Zielvorrichtung: Höhen- und seitenverstellbare, nicht-elektronische Visiere mit Wasserwaage, Vergrößerungslinse und/oder Prisma mit bis zu fünf Zielpunkten dürfen an einem festen Vorbau montiert werden.
- Stabilisatoren: Keine zusätzlichen Auflagen
- Dämpfer: Keine zusätzlichen Auflagen
- Pfeile: Keine zusätzlichen Auflagen
- Fingerschutz: Keine zusätzlichen Auflagen
- Compoundbogen limited (Cl) – orientiert sich an der Beschreibung des Compound unlimited außer:
- Scope ist nicht gestattet, aber Jagdvisier mit fünf Pins.
- Peepsight darf keine Linse haben.
- Release ist nicht gestattet.
- Compoundbogen blank (Cb) – orientiert sich an der Beschreibung des Compound unlimited außer:
- Stabilisator darf einschließlich Dämpfer höchstens 30 cm lang sein.
- Bogenfenster muss frei von Herausstehendem sein.
- Markierungen dürfen sich nicht auf dem blanken Compound befinden.
- Flecken dürfen sich nicht auf dem blanken Compound befinden.
- Laminierungen dürfen sich nicht auf dem blanken Compound befinden.
- Zielvorrichtungen sind nicht zugelassen.
- Release darf nicht verwendet werden.
- Pfeilauflage darf auf der Außenseite angebracht werden.